Menschen in Unterbrunn: Florian Schleifer

Ein Unterbrunner in Indien

 

Wie schon von 2012 bis 2017 bin ich erneut in Mysore, Karnataka, Indien. Dieses mal für ein Bauprojekt meiner Firma. Los geht’s am 01.08.2024 und die ganze Sache dauert bis mindestens Ende 2026. Ich habe mir vorgenommen, hier ab und zu mal zu schreiben wie es mir geht und wie ich in meiner zweiten Heimat zurecht komme bzw. was ich alles erlebe. Wenn ich das nicht immer topaktuell hinkriege sei mir verziehen, aber so ab und zu könnt ihr hier news aus Indien lesen. Viel Spaß dabei und liebe Grüße in die Heimat.

So jetzt (9. September 2024) komme ich mal dazu ein bisschen was zu schreiben. Seit gut einem Monat bin ich nun zurück in meiner zweiten Heimat und es ist schon einiges passiert. Normalerweise ist eine Übersiedelung von Bayern nach Indien schon eine große Veränderung, aber da es für mich schon das zweite Mal ist, weiß ich natürlich etwas besser was auf mich zukommt. Allerdings ist die Entwicklung in diesem Schwellenland in allen Bereichen so schnell, dass sieben Jahre dort vergleichbar sind mit 50 Jahren bei uns. Ich erkenne mein Mysore kaum noch wieder und es sind sowohl positive als auch negative Veränderungen deutlich sichtbar. Ein positives Beispiel ist das Angebot an Lebensmitteln, welches mittlerweile auch einige mir aus der Heimat bekannte und beliebte Artikel beinhaltet und mir somit das Kochen vereinfacht. Ein Negativbeispiel ist der mittlerweile auch in Mysore deutlich angestiegene und somit nervige Verkehr. Das schnelle Wachstum der indischen Wirtschaft führt unter anderem dazu, dass sich immer mehr Leute ein Auto leisten können, was man deutlich auf den Straßen merkt. Damit wird auch das alltägliche Hupen deutlich mehr und das ist halt nicht so schön.

Ich habe anfangs einen Ämtermarathon erwartet, wie auch schon 2012. Aber weit gefehlt. Damals musste man wegen jeder Kleinigkeit auf irgendein Amt rennen und tausende von Dokumenten vorlegen nur um ein weiteres zu bekommen. Das Ganze war auch immer mit einiger Wartezeit verbunden, da ich mich geweigert habe Schmiergeld zu zahlen. Ich hatte immer ein Buch dabei. Dieses Mal konnte ich alle relevanten Dokumente online beantragen und von der Bearbeitungszeit träumen alle Besucher eines deutschen Landratsamts. Also eine große positive Überraschung.

Somit war ich relativ schnell als „Foreigner“ in Mysore angemeldet und auch steuerlich erfasst. Auch ein Bankkonto war schnell eingerichtet. Das größere Problem war, dass mein altes Bankkonto aus 2017 nicht geschlossen wurde. Warum weiß ich nicht. Nun ging es darum, die Bankgebühren für sieben Jahre nachzuzahlen, aber das konnte ich abwenden, da ich glücklicherweise eine Kopie der Abmeldebescheinigung der Bank aus 2017 aufgehoben habe. Also lag der Fehler nicht bei mir und ich musste nichts nachzahlen. 

Das ist übrigens der mit tausenden Glühbirnen beleuchtete Palast des Maharajas in Mysore. Ja der wohnt da noch.

Bei meinem letzten Aufenthalt habe ich einen indischen Führerschein gemacht. Der dazugehörige Prozess war ziemlich einfach und die Theorie schnell erlernt und bestanden. Dann bin ich mit dem Firmenauto vier Jahre in Karnataka und Kerala selber rumgefahren und das ohne einen selber verschuldeten Unfall. In Bangalore war das durchaus eine Herausforderung, wie sich sicherlich einige Gäste erinnern. Mein Führerschein ist immer noch gültig, aber dieses Mal verlangt das indische Management, dass ich einen Fahrer nehmen muss. Ich darf also leider nicht wieder selber fahren. Das geht mir ein bisschen auf die Nerven, weil man halt etwas abhängig ist. Gott sei Dank wohnt mein Fahrer nur einen Kilometer entfernt und somit hält sich die Warterei in Grenzen. Vielleicht schaffe ich es ja, die Kollegen noch zu überzeugen, dass ich zumindest ab und zu wieder selber fahren darf. Aber aktuell ist erstmal nichts zu machen.

Ich habe meine Wohnung schon während eines Aufenthalts im Juni gefunden. Eine voll möblierte Dreizimmerwohnung mit 2 Bädern und Küche sowie einem Balkon. 89 m² Wohnfläche, Garagenstellplatz sowie Fitnessstudio und Pool auf dem Dach. Miete pro Monat 435,- € und warm und kalt gibt es nicht. Ein Traum. Der Vermieter hat die Wohnung tatsächlich ungefähr nach meinen Wünschen eingerichtet und den Rest habe ich im Laufe des Augusts besorgt. Vor einer Woche ist dann auch die Luftfracht aus Deutschland eingetroffen und somit habe ich jetzt auch meine Filterkaffeemaschine und meinen Drucker. Einwandfrei. Fehlen nur noch ein paar Bilder an den Wänden und wenn ich die habe, dann gibt es eine kleine Homestory.

hakenkreuz

Irgendjemand hat ein Hakenkreuz an meine Wand gemalt. Das hat mit Nationalsozialismus aber rein gar nichts zu tun. Wer mehr darüber wissen möchte, kann Wikipedia unter dem Stichwort Swastika befragen. Allerdings habe ich trotzdem versucht, es so gut wie möglich zu entfernen, weil es mich immer leicht reißt, wenn ich ein Hakenkreuz anschaue. Da es direkt über dem TV an die Wand gemalt war, würde es mich vor dem Fernseher ziemlich häufig reißen und deshalb musste es weg. Auch wenn ich damit wahrscheinlich mein Karma gründlich verdorben habe. 

So das war es erstmal für heute und eigentlich hätte ich noch viele Fotos zum posten. Allerdings habe ich jetzt gerade keine Lust und Zeit mehr etwas zu schreiben und nur Fotos finde ich blöd. 

Ich wünsche allen Unterbrunnern einen schönen Herbst und eine schöne Wiesnzeit (ich bin ein kleines bisschen neidisch) und sobald ich wieder Zeit finde, werde ich diesen Blog fortsetzen. 

Falls ihr es noch nicht wusstet, ich arbeite 6 Tage hier in Indien. Das heißt „thank god it’s Friday“ verliert hier irgendwie seine Bedeutung. Allerdings habe ich heute (Samstag, 28.09.2024) auch während der Arbeit Zeit ein bisschen was zu schreiben. Vor kurzem war hier Independence Day. Ein wichtiger und nationaler Feiertag für ganz Indien. Am 15. August 1947 wurde Indien unabhängig vom englischen Joch und seitdem ist Indien die größte Demokratie der Welt. Es gibt ein nationales Parlament und einen Bundesrat, genau wie in Deutschland. Die 32 Bundesstaaten bilden die Verwaltungsebene unter der Zentralregierung in Delhi und auch jeder Bundesstaat hat ein Parlament. Nun ist es allerdings nicht so wie bei uns, dass man den Wechsel von einem Bundesstaat zum anderen gar nicht merken würde, wenn da nicht ein Schild stehen würde. Hier stehen auch Schilder und manchmal sogar Schlagbäume. Außerdem kann es gut sein, dass du die Sprache in dem anderen Bundesstaat leider nicht sprichst und dich somit nicht mehr unterhalten kannst. Ferner kann es gut sein, dass die Schrift in dem anderen Bundesstaat eine andere ist und du somit die Schilder nicht mehr lesen kannst. In Indien gibt es 121 Sprachen und 15 Schriften. Das führt natürlich dazu, dass die meisten Inder mehr als eine Sprache sprechen. Englisch hat sich aus der Kolonialzeit gehalten und wurde als übergreifende Sprache jahrelang genutzt. Irgendwann in den 90er Jahren wollten die Inder Englisch rausschmeißen und Hindi als übergreifende Landessprache einführen. Hindi wird in 12 Staaten eh schon gesprochen und das hat sich somit angeboten. Aber leider haben gerade die südindischen Staaten nicht mitgespielt und somit gibt es jetzt eine übergreifende Sprache im Norden und das ist Hindi sowie eine im Süden und das ist Englisch. Und natürlich gibt es alles dazwischen auch, sonst wäre es nicht Indien. Also wer in Mysore eine einigermaßen Schulbildung genossen hat, spricht 3 Sprachen. Kannada (die lokale Sprache), Englisch und Hindi. Viele sprechen dazu noch Sprachen der Nachbarstaaten wie Tamil Nadu (Tamil), Kerala (Malayalam) oder Andra Pradesh (Telugu). Man kann sich nun also vorstellen, was für ein Kauderwelsch manchmal auf der Straße gesprochen wird, um sich verständigen zu können. 

Beim Independence Day sind sich aber alle Inder einig, dass es gut war die Unabhängigkeit zu erstreiten. Patriotismus, der in Deutschland doch oftmals als die Tugend der Boshaften betrachtet wird, ist hier etwas sehr Positives und es treffen sich alle in der Früh zum hissen der Flagge und zum Singen der Nationalhymne. Da war ich dabei und musste sogar eine kleine Rede halten. Anschließend gab es ein ausgiebiges und schmackhaftes Frühstück. Idli, Dosa und alles was das Herz begehrt (ok außer guter Wurst und Käse).

Kurz danach haben wir hier in Mysore das 175. Firmenjubiläum von Freudenberg (unserem Mutterkonzern) gefeiert. Auch da gab es wieder reichlich zu Essen und dieses Mal sogar mit „non veg buffet“. Wie man auf dem Bild gut sehen kann, gehört der Standort Mysore mittlerweile zu den größeren in unserer Firma und es fehlen sogar noch einige Mitarbeiter. Nun haben ja die Inder Namen, die für uns nicht so einfach auszusprechen sind. Zum Beispiel heißt eine Mitarbeiterin im Einkauf Rekha Bommanamane Prabhushankar. Da musst du zum Unterschreiben schon mal das Blatt quer nehmen. Deshalb läuft hier viel über den jeweils ersten Namen, der aber nicht zwingend was mit dem uns bekannten „Vornamen“ zu tun haben muss. Da gibt es Fathers name, Mothers name, Village name, Cast name usw. usw. Also von den ungefähr 100 Leuten auf dem Foto weiß ich noch die Namen all derer, die schon 2017 da waren und das sind Gott sei Dank einige. Neue indische Namen zu lernen fällt mir genau so schwer wie damals und es wird wieder etwas dauern, bis ich alle Namen weiß. Dazu kommt noch, dass die Inder ihre Kinder gerne nach Göttern, Königen oder Prinzen benennen. So ist zum Beispiel Lakshmi eine Göttin und ein häufiger weiblicher Vorname und Raj heißt König und Kumar heißt Prinz. So heißen hier eigentlich alle nach wenigen Göttern und das führt dazu, dass es wahrscheinlich mehr Rakshit Kumars gibt als männliche Einwohner in Deutschland.

Das führt zu weiteren Problemen. Wenn Wahlen sind und es kommt ein Rakshit Kumar zum Wählen, woher soll man wissen welcher das ist. Insofern enthält der indische Personalausweis immer auch mothers and fathers name und eventuell sogar auch noch die Großeltern. Nur so kann man das alles auseinanderhalten. Als der Personalausweis (Adhaar card) noch nicht so verbreitet war, gab es gar keine Möglichkeit die Leute auseinanderzuhalten und um zu vermeiden, dass die Leute drei oder viermal wählen gehen, bekamen sie einen sehr schwer löslichen Lack auf den Daumennagel gestrichen. Somit war klar, der hat schon gewählt. So war das noch 2017 als ich zum ersten Mal hier war. 

Auf diesem Bild seht ihr die unterschiedlichen indischen Schriften wie oben im Artikel erwähnt. All das heißt jeweils 500 Rupees und man kann sich nun besser vorstellen, dass sich hier eine kurze Reise in den Nachbar-Bundesstaat anfühlt wie eine Reise in ein fremdes Land. Das mag ein Grund dafür sein, dass die Solidarität zwischen den einzelnen Staaten nicht sehr ausgeprägt ist. Länderfinanzausgleich kann man hier vergessen. Auch ziemlich komisch ist, dass dieser Schein der größte ist den es gibt. Bei einem aktuellen Wechselkurs von ca. 1:93 hat man somit 5,40 € in der Hand. Grund dafür ist wieder mal das Schwarzgeld einzudämmen, die Schmiergeldzahlungen zu erschweren und die Leute zu elektronischem Zahlen anzuhalten. Einiges davon klappt auch dann und wann. 

Vor kurzem hatte ich eine unfreiwillige Dusche in meinem Bad. Ein Schlauch vom Boiler war verdreht und nach einigem Gebrauch hat es diesen Schlauch leider zerrissen. Blöderweise lag darunter die Doppeldecke und somit wurde zum einen diese nass und zum anderen das Wasser im ganzen Raum verteilt. Glücklicherweise gab es ein Ventil zum abriegeln. Es war also nicht so wie bei meinem ersten Aufenthalt in Indien, bei dem ich mal zwei Stunden ein Loch in der Wand zuhalten musste, weil Wasser rausspritzte und der Klempner leider keine Ersatzteile dabei hatte. Dies ist passiert als ich einen anderen Anschluss für die Waschmaschine montieren lassen wollte. Außer einer großen Zange hatte der Klempner nichts dabei aber zum Abreißen des alten Hahns war das ausreichend.

Was kommt in Mysore dem Münchner Oktoberfest am nächsten?? Natürlich eigentlich gar nichts, aber ich habe den mittleren Wiesn-Sonntag ohne Italiener, dafür mit einigen Indern, in meinem Lieblingsbiergarten (Green Hotel) verbracht und habe mir einige Kingfisher Biere genehmigt. Dabei konnte ich mir nur vorstellen, wie es jetzt auf der Wiesn wäre. Aber das Ambiente ist nicht zu verachten, wie man unten sieht. Mysore ist immer noch ein Ort, in dem man als Partyliebhaber nicht tot über den Zaun hängen will, aber das hat auch Vorteile (für mich). Ich habe unglaublich viel private Zeit und genau das wollte ich ja auch. Nun heißt es noch diese Zeit vernünftig zu füllen. Angefangen habe ich schon, aber den inneren Schweinehund muss ich noch erlegen.