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30 Jahre Brotzeit Kramer Unterbrunn – „Ich liebe es einfach, es ist mein Leben“

Dass Unterbrunn so ein lebendiges Dorf ist, liegt auch daran, dass es noch so eine lebendige Infrastruktur gibt. Neben den zwei Wirtshäusern gehört dazu unbedingt auch der Kramerladen, in dem sich Unterbrunner Semmeln holen können, Handwerker morgens einen Kaffee und einen Brotzeit kaufen und mittags günstig das Tagesschmankerl essen. In diesem Jahr konnte Petra Röckenschuß das 30-Jährige Bestehen feiern.

Als sie den Laden 1995 an traditionsreicher Stelle eröffnete, war noch nicht klar, dass es eine Geschäftsära werden würde. Sie hatte zwar als Kind schon gern im Kaufladen gespielt, und einen benachbarten Schreibwarenladen in München geliebt. Doch als sie nach zehnjähriger Unterbrechung wieder (gemeinsam mit ihrem Mann Korbinian) einen Laden am Kramerhof eröffnete, sollte das erstmal eine berufliche Übergangslösung sein, bis die Söhne etwas größer sind. Heute sagt sie: „Ich liebe es einfach, es ist mein Leben. Die Kunden begleiten mich schon mein halbes Leben lang.“

In der Familie Röckschuß gibt es eine lange Händlertradition. Der erste Gemischtwarenladen mit Branntweinausschankrecht wurde hier 1874 von Anna und Josef Röckenschuß eröffnet. Wegen der Kramerei wurde im Lauf der Zeit auch der Hof „beim Kramer“ genannt. Über viele Jahrzehnte hielt sich der Laden. Mal mit Bedienung, später als kleiner Katra-Selbstbedienungsladen.

In früheren Jahren wurde am Sonntag regelmäßig das Grammophon ausgepackt und im Laden getanzt. Sein Großvater fuhr immer mit dem Bulldog in die Stadt, um Ware zu besorgen, die dann offen im Laden verkauft wurde, erinnert sich Korbinian. 1965 baute Barbara Rückschuß mit ihrem Mann – also die Schwiergereltern von Petra – das heutige Geschäftsgebäude an, das sie 20 Jahre als kleinen Katra-Selbstbedienungsladen führte.

Als der Laden 1984 schloss, waren Korbinian und Petra Röckschuß frisch verheiratet. Auf dem Hof gab es viel Arbeit, eine Zeitlang wurde der Anbau daher verpachtet. Zeitweise waren Büroräume darin, auch ein Elektriker und das Künstleratelier von Rosemarie Zacher.

1995 dann der neue Anlauf. Der Einzelhandel hatte sich verändert, die Supermärkte wurden immer größer. „Es war klar, dass ein Lebensmittelgeschäft in einem Dorf wie Unterbrunn keine Chance mehr hat“, sagt Korbinian Röckenschuß.

Also entschied sich Petra Röckenschuß für einen Brotzeitladen. Anfangs gab es vor allem Backwaren. Noch gab es eine Metzgerei in Unterbrunn, der man keine Konkurrenz machen wollte. Heute gehören Wurst- und Leberkässemmeln und der Schweinsbraten am Montag zu den beliebtesten Produkten. Das Brot und die frischen Semmeln und Brezn kommen vom Sickinger aus Gräfelfing.

Der Laden stieß von Anfang an in eine Marktlücke. Am Eröffnungstag baute Tschibo als Geste einen Stand mit frischen Kaffee auf, erinnert sich Petra. „Die mussten dann bei mir Kaffee nachkaufen, so groß war der Andrang.“

Natürlich gab es auch schwierigere Zeiten. Als die dringend benötigte Umgehungsstraße gebaut wurde, war das zwar auch für die Röckenschußs mit ihren Kindern als Anwohner ein Segen. Doch war unklar, ob die Handwerker künftig auch den Umweg in Kauf nehmen würden. „Viele dachten, das ist der Todesstoß für den Laden“, sagt Korbinian Röckenschuß. „Wir haben selbst gedacht, wir müssen zusperren.“

Die neuen Stühle und Tische wurden erst gekauft, als klar war, dass die Stammkunden trotz Umfahrung treu bleiben. Später kamen die Mieter des „Wohnreviers“ als weitere Kunden dazu, die froh sind, dass es beim Übergangsquartier auch eine Lebensmittelversorgung gibt.

Dass der Laden gut läuft, liegt auch daran, dass die Brotzeit hier noch sehr individuell gemacht wird. Wer seine Käsesemmel lieber ohne Butter oder die Wurstsemmel mit Gurke haben will, kein Problem. Als Mittagsschmankerl gibt es jeden Tag ein anderes Gericht, vom Schweinsbraten bis zur Schnitzelsemmel. Auch gemischte Salate werden angeboten. Abheben von den teuren Standardsnacks an der Tanke, ist die Devise.

Einfacher ist das Geschäft im Lauf der drei Jahrzehnte nicht. Aushilfen für die Stoßzeiten sind schwer zu finden, die Preise für Lebensmittel und den Service der Maschinen stark gestiegen. Und viele Menschen nehmen ihre Semmeln ohne groß zu überlegen beim Backshop im Supermarkt mit. Und damit sich so ein Laden heutzutage lohnt, muss Petra Röckenschuß als Betreiberin rund um die Öffnungszeiten selbst im Geschäft stehen – was ihr ja auch bis heute Spaß macht.

Dass die jahrhundertealte Händlertradition zumindest in der Familie Röckenschuß fortgesetzt wird, ist heute schon gesichert: Korbinian jr. hat zwar Hotelfachmann im Vier Jahreszeiten gelernt. Doch hat er schon als Bub beim Streichen der Butterbrezn mitgeholfen. „Es hat ihn schon ein bisschen geprägt“, sagt Petra. Und so führt er heute erfolgreich einen Rewe-Laden am Sendlinger Tor in München. Die Landwirtschaft führt zur Freude seiner Eltern der zweite Sohn, Martin, neben seiner Schlosserei weiter. (Axel Höpner)