Unser Dorf

Was macht ein Dorf lebenswert? Ist es die Tatsache, dass wir einen Bäcker am Ort haben oder die schwer erkämpfte und dringend notwendige Umgehungsstraße, die seit 2012 den immer mehr überbordenden Verkehr am Ort vorbei leitet. Ist es eine Sporthalle mit Tennisplätzen oder ein Käseladen im ehemaligen Millihäusl?? Ist es wichtig für die Lebensqualität in einem Dorf, einen Spielplatz am Weiher zu haben und einen Kindergarten im ehemaligen Schulhaus?? Sind zwei Gastwirtschaften und zwei Kinderkrippen im Ortskern ein Merkmal für hohe Lebensqualität?? Macht es im Gegenzug ein Dorf weniger wert in ihm zu leben, wenn es immer noch Straßen gibt, die unter viel Verkehr leiden und das noch dazu ohne Bürgersteig. Ist es ein Minuspunkt, wenn die Bankfiliale zugemacht hat, ohne einen Automaten zu hinterlassen?? Kann man ein Dorf als lebenswert bezeichnen, in dem es keinen Supermarkt gibt und man die mehr oder weniger häufig fahrenden Busse nehmen muss, um ohne eigenes Auto einkaufen zu gehen?? All diese Fragen über jedes Dorf im Allgemeinen und über Unterbrunn im Besonderen sind berechtigt und jeder mag die Dinge anders gewichten und somit auf unterschiedliche „Lebensqualität“ schließen. Ohne Zweifel sind alle diese Punkte wichtig, aber es sind dann doch nur Äußerlichkeiten.

Viel wichtiger finden wir in Unterbrunn jedoch die Dinge die man nicht sofort sieht. Man kennt seine Nachbarn und fürs Katze füttern während einem Urlaub, muss man nicht weit entfernte Verwandschaft einfliegen oder ein Tierheim bemühen. Die Leute verstecken sich nicht hinter hohen Hecken und man hört oder sieht sie nur, wenn etwas zu laut ist in der Nachbarschaft. Man trifft sich nicht nur in der Früh im Stau oder in der S-Bahn auf dem Weg zur Arbeit, sondern auch nach dem Feierabend bei zahlreichen Veranstaltungen oder einfach nur auf einen privaten Besuch. Ein Großteil der Einwohner Unterbrunns ist in Vereinen aktiv und es gibt immer noch so etwas wie ein Vereinsleben im Ort. Da wird auch schon mal zusammen angepackt, wenn es darum geht, eine Sporthalle oder ein neues Feuerwehrhaus in Eigenleistung zu bauen. Diejenigen die nicht mehr mit anpacken können, unterstützen die Vereine finanziell und viele andere verbringen einen guten Teil ihrer Freizeit damit, das vielfältige Gesellschaftsleben im Ort zu pflegen und Projekte gemeinsam zu verwirklichen. So kommt es, dass das Jahr fast zu wenig Wochenenden hat, um alle Veranstaltungen und Vorhaben unterzubringen.

E3F552B3

Das gilt selbst noch nach der unsäglichen Corona-Zeit, in der vielen ihre eigene Couch zur lieben Gewohnheit wurde und manchen das Aufstehen immer noch schwerfällt. Viele Unterbrunner sträuben sich etwas gegen den Zeitgeist des Egoismus und der Rücksichtslosigkeit und das ist gut so. Ob es nun die Feuerwehr oder der Sportverein mit seinen sieben Sparten ist, oder die vier Chöre im Ort, bei denen man sich aktiv beteiligt, spielt eigentlich keine Rolle. Aktiv dabei sein beim Obst- und Gartenbauverein oder beim Oldtimerclub ist immer eine Bereicherung für einen selber sowie für die Gemeinschaft. Beim Seifenkistenrennen die Teilnehmer anfeuern oder über den Faschingszug der Burschenschaft zu lachen, bringt Frohsinn und Leichtigkeit ins Leben. Für die Kleinen gibt es Jugendgruppen bei der Feuerwehr, im Sportverein und beim Gesangverein. Die etwas Älteren freuen sich über das regelmäßige Seniorencafe im wunderschönen Pfarrhof oder über Veranstaltungen des Kulturvereins.

Traditionen (vor allem bayerische) sind nach wie vor wichtig und auch der Krieger- und Soldatenverein bekommt regelmäßig neue Mitglieder. Das alljährliche Bauerntheater gibt es seit über 100 Jahren und erfreut sich nach wie vor großer Beliebtheit. Das Aufstellen eines neuen Maibaums alle 5 Jahre ist eine vom ganzen Dorf organisierte und unterstützte Großveranstaltung, bei der wir viele Gäste aus dem näheren und weiteren Umland begrüßen dürfen. „Einigkeit macht stark“ steht auf einem Schild am Maibaum und das gilt genau so für Gemeinschaft. Man ist sich sicher nicht immer einig, aber wohin die Reise gehen soll, ist selten strittig.

Diese nicht sofort sichtbaren Dinge sind es, die ein Dorf wirklich lebenswert machen. Vielen Unterbrunnern liegt das sehr am Herzen und wir freuen uns immer über Neubürger und Besucher, die sich dafür auch begeistern lassen. Wir sind mittlerweile über 900 Einwohner und es ist bei weitem nicht mehr so, dass jeder jeden kennt. Das ist auch gar nicht so wichtig, solange man dafür offen bleibt, seine Nachbarn und den Ort in dem man lebt kennenzulernen und sich eventuell im Rahmen seiner Möglichkeiten aktiv am Dorfleben zu beteiligen.

Florian Schleifer