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Laudatio für die Burschen: “Neues ausprobieren, ohne die alten Bräuche zu vergessen”

Der Günther Klinge Preis der Gemeinde Gauting ist eine besondere Ehre für die Burschenschaft und für Unterbrunn. Hier dokumentieren wir die Laudatio von Flo Schleifer.

“Der Faschingszug in Unterbrunn am Faschingsdienstag ist seit über 100 Jahren eine wunderbare Sache für Teilnehmer und Zuschauer. Schon Wochen vorher finden Versammlungen statt und es werden Themen gesucht und verteilt. Spätestens ab dem Samstag davor gibt es ein reges Treiben im Ort und die manchmal bis zu 20 Wägen werden gebaut, geschmückt und beschriftet, so dass am Dienstag um 14 Uhr alles bereit ist für die berühmteste Veranstaltung der Burschenschaft Unterbrunn.

Themen zu finden ist nicht immer einfach; sollen es doch möglichst lokale Themen sein, die von den Burschen aufs Korn genommen werden. So mancher Lokalpolitiker muss sich an diesem Tag ein dickes Fell wachsen lassen, aber ich habe mir sagen lassen, dass es mittlerweile schon Enttäuschungen gibt, wenn man als öffentliche Person beim Unterbrunner Faschingszug nicht erwähnt wird.

Natürlich gilt es das richtige Maß zu wahren zwischen einer deutlichen Botschaft einerseits und der sogenannten political correctness andererseits. Hier sind wir zugegebenermaßen in Vergangenheit schon mal über das Ziel hinausgeschossen, was dann dementsprechend in den Medien auch dargestellt wurden. Aber man lernt ja nie aus. Gerade den diesjährigen Faschingszug fand ich diesbezüglich sehr gelungen und die Themen wurden sehr humorvoll und deutlich rübergebracht.

In den allermeisten Fällen haben die Darsteller mindestens so viel Spaß wie die Zuschauer, was den Charme dieses Faschingszuges mit ausmacht. Unser Ding ist es nicht, einfach nur laute Musik aufzulegen und Süßigkeiten zu werfen. Unser Anspruch geht weiter. Wir haben vielleicht nicht so aufwendig geschmückte Wägen wie die der großen Faschingsgesellschaften, aber die Message ist klar und deutlich und das Spiel der Darsteller macht die vergleichsweise wenige Deko sicherlich mehr als wett.

Ein Beleg dafür sich die manchmal bis zu 1000 Zuschauer, die sich am Straßenrand einfinden, um den Unterbrunner Faschingszug zu sehen.

Das Kuratorium verleiht der Burschenschaft Unterbrunn den Günther Klinge Kulturpreis für die jährliche Organisation des traditionellen Faschingsumzugs. In der Satzung der Burschenschaft Unterbrunn steht geschrieben, dass die Pflege von bayerischem Brauchtum und Traditionen der maßgebliche Vereinszweck ist.

Offensichtlich ist die Pflege von Traditionen etwas Wichtiges für das Kuratorium und auch für den Preisträger selber.

Tradition spiegelt die Wurzeln und die Identität einer Gesellschaft oder einer Kultur wider. Traditionen sind Verhaltensweisen, Bräuche, Überlieferungen und Werte, die von Generation zu Generation weitergegeben werden. Sie dienen dazu, die Vergangenheit zu bewahren, die Gegenwart zu gestalten und die Zukunft zu beeinflussen.

Doch was genau macht Tradition aus? Tradition ist mehr als nur das Festhalten an alten Gewohnheiten. Sie ist ein lebendiger Ausdruck unserer kulturellen Werte und unserer kollektiven Erinnerung. Traditionen sind die Fäden, die uns miteinander verbinden und uns ein Gefühl von Zugehörigkeit und Zusammenhalt vermitteln.

Dies habe ich immer sehr geschätzt an der Burschenschaft Unterbrunn. Gemeinsame Unternehmungen wie der Faschingszug tragen erheblich zum Zusammenhalt bei und bereichern das Leben des Einzelnen. Die Erfahrung, gemeinsam etwas auf die Beine zu stellen, gab mir immer ein gutes Gefühl und ich denke ich bin nicht der Einzige.

In einer Welt, die sich ständig verändert und in der neue Trends und Technologien oft das Wichtigste zu sein scheinen, ist es wichtig, die Bedeutung von Traditionen zu erkennen und zu schätzen. Traditionen geben uns Halt und Orientierung in einer zunehmend schnelllebigen und ungewissen Welt. Sie sind wie ein Anker, der uns in stürmischen Zeiten festhält und uns daran erinnert, wer wir sind und woher wir kommen.

Ich hatte das Glück einige Zeit im Ausland zu leben und zu arbeiten und welchen Schatz man zurücklässt, versteht man erst wenn man ihn nicht mehr täglich um sich hat. Erst in der Ferne begann ich wirklich zu verstehen, wie wertvoll Freundschaften sind, wie kostbar gemeinsame Zeit ist und wie wichtig es ist, solche Dinge zu pflegen und am Leben zu erhalten. Dies macht die Burschenschaft Unterbrunn mit ihren zahlreichen Unternehmungen für jeden möglich, der sich darauf einlassen möchte.

In einer Welt mit immer mehr Kommunikationskanälen fühlen wir uns paradoxerweise doch alle immer einsamer. Hier hilft der Zusammenhalt innerhalb der Burschenschaft Unterbrunn jedem Einzelnen. Natürlich ist es auch nicht immer einfach, so viele Meinungen unter einen Hut zu bringen. Vielleicht lautet deshalb das Motto der Burschenschaft Unterbrunn „Einigkeit macht stark“. Diese Stärke spürt man jeden Faschingsdienstag, wenn die Themenwägen wieder durch den Ort ziehen und hunderte von Zuschauern und Darstellern ihren Spaß dabei haben. In dem Moment spielt Einsamkeit sicherlich keine große Rolle.

Ein Verein wie die Burschenschaft Unterbrunn lebt von der Fortführung der Traditionen und der Weitergabe an Jüngere. Dazu bedarf es einer gewissen Fähigkeit zur Integration. Es müssen immer wieder neue Burschen gefunden werden, die dann eventuell auch mal selber das Zepter in die Hand nehmen und Dinge wie den Faschingszug maßgeblich mitgestalten. Das mag in einer Zeit des ansteigenden Egoismus nicht einfacher werden, ist aber gerade deshalb umso wichtiger. Die meisten Leute kommen leider nicht mehr von alleine. Man muss sie von ihren Computerbildschirmen wegholen.

Hier kann ich der Burschenschaft Unterbrunn nur raten, aktiv zu bleiben und auf die Leute zuzugehen. Nur dann werden wir auch noch die nächsten Jahrzehnte am Faschingsdienstag einen Faschingszug bewundern können.

Doch trotz all ihrer positiven Aspekte ist es wichtig zu erkennen, dass Traditionen auch Grenzen haben können. Nicht alle Traditionen sind gut oder gerecht. Einige können überholt sein oder fragwürdig. Es ist also immer wichtig, Traditionen zu hinterfragen und gegebenenfalls zu verändern oder sogar abzuschaffen.

Offen zu sein für neue Mitglieder und für neue Meinungen ist hier sicherlich ein Weg, die etablierten Traditionen auch mal kritisch zu betrachten. In Vergangenheit ist das der Burschenschaft gut gelungen. Einiges was war ist nicht mehr und vieles ist neu und hat sich mittlerweile etabliert. Es gibt ja den Ausspruch: Wenn es zweimal stattfindet ist es Tradition. So weit würde ich nicht immer gehen, aber es ist sicherlich gut, immer wieder etwas Neues auszuprobieren, ohne die alten Bräuche zu vergessen.

Insgesamt ist Tradition ein wichtiger Bestandteil des menschlichen Lebens und der menschlichen Gesellschaft. Sie verbindet uns miteinander und gibt unserem Dasein Sinn. Es liegt an uns, die Traditionen zu bewahren, zu pflegen und weiterzuentwickeln, damit sie auch für kommende Generationen von Bedeutung sein können. Denn in der Tradition liegt die Kraft, die uns als Gemeinschaft zusammenhält und uns in allen Zeiten Halt geben kann.

Ich selber werde bei nächster Gelegenheit wieder ein paar Freunde zusammenrufen, ein Thema raussuchen, einen Wagen schmücken und beschriften und beim Faschingszug teilnehmen. Seit über 30 Jahren ist es mir nun vergönnt, an dieser schönen Veranstaltung teilzunehmen und ich hoffe das bleibt auch so. Schon aus eigenem Interesse wünsche ich der Burschenschaft Unterbrunn nur das Allerbeste, stetige Freude an ihren Veranstaltungen, stetigen Zulauf neuer Mitglieder und immer die Fähigkeit, Traditionen zu bewahren und trotzdem Neues zuzulassen.  

Meinen herzlichen Glückwunsch der aktuellen Vorstandschaft und den heutigen Mitgliedern der Burschenschaft Unterbrunn und meinen herzlichen Dank an all jene, die in der Vergangenheit mit dazu beigetragen haben, dass der traditionelle Faschingszug in Unterbrunn überhaupt eine Tradition werden konnte.

Vielen Dank für ihre Aufmerksamkeit. “