
Angelika Göschl und zehn Jahre Pfarrhof im Herzen von Unterbrunn: “Da bist Du dahoam”

2014 war Angelika Göschl bei ihrer Freundin, die in die Karibik ausgewandert ist. Eigentlich der perfekte Urlaub. „Es war ein Paradies! Erst mit den Freunden im Segelboot unterwegs und dann noch ein paar Tage Strandurlaub im Liegestuhl.“ Doch die letzten Tage waren kaum auszuhalten, so stark war das Heimweh nach Unterbrunn. Da sei ihr noch einmal klar geworden, erinnert sie sich, „da sind Deine Wurzeln, da bist Du dahoam“.
Dass der prächtige Pfarrhof neben der Kirche wieder zu einem Wahrzeichen geworden ist, an dem Menschen auch von weit her den Bund fürs Leben schließen wollen, und an dem sich Menschen und Vereine aus Unterbrunn treffen und eine Heimstätt finden, ist vor allem ihr Verdienst.
Schon in jungen Jahren hatte sie einen besonderen Bezug zum Pfarrhof. „Ich bin von ganzem Herzen ein Unterbrunner Kindl“, sagt sie. Die Mama ist in der Landwirtschaft im Ferdlhof (Welsch) aufgewachsen, der Vater aus Oberpfaffenhofen eingeheiratet, hat sich aber von Anfang an stark im Dorf engagiert, von der Feuerwehr bis hin zum Gesangsverein. So wurde auch die Angelika früh Fahnenmadl – die Fahnen werden heute alle noch bei ihr im Pfarrhof gelagert -, unterstützte ihren Papa bei der Buchhaltung für die Feuerwehr, Musikerin in der Dorfkapelle, Theaterspielerin und war Sternsingerin und Ministrantin.
Da war sie fast zwangsläufig viel im Pfarrhof, der 1914 im Reformstil errichtet worden war. Am Eingang hing ein dunkler Vorhang, erinnert sie sich. Der damalige Pfarrer, Pater Pius, war als Missionarspater in Afrika gewesen. Drinnen wucherte ein Gummibaum, die Wände voller Bücher. Am Klavier saß öfter Frau Zubrot, die Pfarrersköchin, die den Kirchenchor leitete. „Ich habe das Haus schon immer sehr gern gemocht“, sagt Angelika. Als kleines Mädchen habe sie sich vorgestellt, im Prinzessinnenkleid die opulente Treppe hinabzugehen.

Bis sie das bei vielen Festivitiäten und Veranstaltungen im Dirndl machen würde, sollten aber noch ein paar Jahre vergehen. Angelika Göschl wurde Bankkauffrau und dann Personalentwicklerin. Doch als der Pfarrhof sieben Jahre leer stand und verkauft werden sollte, schwärmte sie einer Kollegin vor, was man da alles draus machen könnte. Die Idee ließ sie nicht mehr los, und so sprach sie mit Herrn Pfarrer Brandstetter, Ernst Wiedemann und dem Pfarrgemeinderat, wie man das Haus fürs Dorf erhalten könne, und fuhr nach Augsburg zur Pfarrpfründestiftung und dann in die Gemeinde und legte ihr Konzept vor. Die Gemeinde Gauting kaufte schließlich den Pfarrhof und renovierte ihn Stück für Stück zu alter Pracht. Angelika half mit, wo es ging und richtete den Pfarrhof mit viel Liebe zum Detail ein. Die Kommune hat hier nun seit 2015 eine Außenstelle des Standesamts. Das erste Hochzeitspaar am 05. Juni 2015 waren Unterbrunner. Bis heute gestaltete Angelika mehr als 600 Hochzeiten, viele Familien nutzen den lauschigen Garten für einen kleinen Sektempfang. Zu vielen Paaren kann Angelika die Geschichte erzählen, wie sie sich kennengelernt haben.
Im Pfarrhof bietet Angelika Göschl, die auch das Gebäude und den Garten in Schuss hält, Unternehmen Platz für Seminare, Workshops und Kamingespräche in inspirierender Kulisse. Doch rund ums Jahr finden hier auch Dorfveranstaltungen statt, man kann sie kaum alle aufzählen. Die Kirta-Musik soll hier wieder aufleben, Dirndl werden genäht und sogar die Ismaninger Schäffler haben vor dem Pfarrhof schon getanzt. Tradition ist ihr wichtig. „Kultur in Unterbrunn“ zeigt Filme; für den Obst- und Gartenbauverein, den Göschl 19 Jahre führte, ist der Pfarrhof die Vereinsheimat geworden, zum voradventlichen Markt werden im Laurentius Stadel Adventskränze und Gestecke gebunden und verkauft.
Der Männergesangverein hat zum Proben und Einsingen ein Ausweichquartier und auch der Bayerische Singtag war hier schon zu Gast; Kreisheimatpfleger Gerhard Schober hat von seinen Forschungen über Unterbrunn berichtet; Ludwig Thomas „Lausbubengschichten“ wurden von Hansi Kraus gelesen und zum Literarischen Herbst mit Elisabeth Carr und Gerd Holzheimer wurden Dichtkunst und Lieder vermählt. Rund um Ostern und zum Ostermarkt gibt es die Kunst-Eiersammlung zu sehen, die der Pfarrhof beherbergt.
Im Oktober 2015 hat Angelika mit „Zwickte“ – selbergmachten Kirtanudeln – das Seniorenkaffee im Pfarrhof gestartet. Weil wir ja lauter junggebliebene Besucher/innen haben, trifft man sich heute zum Pfarrkaffee. Auch die „Rosenheim-Cops“ haben hier schon zweimal gedreht. Schauspieler Dieter Fischer hat dabei den Ort ins Herz geschlossen, und macht Lesungen zur Weihnachtszeit. Zum Unterbrunner Christkindlmarkt findet man ein warmes Plätzchen im Laurentius Stadl und kulinarisches aus dem Backhäusl.

So ist der Pfarrhof zu einer Institution geworden, die aus dem Dorfleben nicht mehr wegzudenken ist.
Es gab auch schwierige Zeiten. „Zu Corona-Zeiten durften wir Hochzeiten mit zehn Personen machen, aber kein Coaching mit zwei Leuten“, erinnert sich Angelika. Um etwas mehr Platz für Abstand zu bieten, stellte sie mit Genehmigung der Gemeinde den Laurentius-Stadl im Garten auf, der sich schnell auch fürs gemütliche Beisammensein für Vereine etabliert hat, und so unersetzlich geworden ist. Ein Pavillon und das Backhäusl waren zuvor über die Jahre schon dazu gekommen. Geholfen haben da beim Auf- und Ausbau immer unsere Handwerksfirmen und Mitbewohner aus dem Dorf. „Des is Unterbrunn“, sagt Angelika.
Wenn die Gäste weg sind, alle Stühle aufgeräumt sind und die Arbeit getan, sitzt sie am liebsten auf der kleinen Treppe im Wintergarten, blickt durch die offene Tür in den Garten und schaut, wer auf dem Lohäckerweg spazieren geht.
„Eigentlich habe ich alles“, sagt die Angelika. Doch für das Zehnjährige in diesem Jahr hat sie natürlich schon viele Pläne. Roland Hefter wird spielen (6. Juni), sie ist ein großer Fan, und natürlich Roy (7. Juni), die schon auf vielen Dorffesten die Tanzfläche zum Beben gebracht haben. Geri, der Klostertaler, tritt dann am Sonntag, 8. Juni, auf. Der Pfarrer hat schon einen Feldgottesdienst zugesagt, und einige Paare, die hier geheiratet haben, werden natürlich auch wieder gern vorbei schauen.
Axel Höpner